Interview mit dem Second Chances Verlag


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Hey liebe Bücherwürmer!
Heute habe ich ein Interview mit einem ganz tollen Verlag für euch, denn es fällt immer wieder auf: Es gibt noch einige Leute, die diesen gar nicht kennen, und ganz ehrlich? Da verpasst ihr wirklich eine tolle Sache. (Spoiler: Man kann Buchwünsche äußern!) Aber kommen wir endlich zum Interview, denn heute habe ich Wanda von Second Chances zu Gast. 

Erstmal Hallo an das Verlagsteam! Vielleicht stellt ihr euch noch einmal selbst vor.

Second Chances Verlag: Hallo ihr Lieben! Für alle, die uns noch nicht kennen: Wir sind ein Startup aus Thüringen und werden in diesem Sommer zwei Jahre alt *Luftschlangen umherwerf*.

Wie unser Name schon verrät, verlegen wir Buchreihen unterschiedlicher Genres, die bei ihrem ursprünglichen deutschen Verlag ein vorzeitiges Ende gefunden haben. Daneben übersetzen und veröffentlichen wir auch englischsprachige Bücher, von denen wir finden, dass sie einen Platz auf dem deutschen Buchmarkt verdient haben.

Mika: *Zupft sich Luftschlangen aus den Haaren*

Das klingt ja schon echt toll, aber wie kam es eigentlich zu der Idee, den Second Chances Verlag zu gründen? Was wolltet ihr erreichen?

Second Chances Verlag: Mehr als einmal ist es unserer Verlagschefin Jeannette bei ihrer Arbeit als Literaturübersetzerin passiert, dass eine Buchreihe, an der sie mit Begeisterung gearbeitet hatte, vorfristig eingestellt wurde. Das war dann für sie natürlich ärgerlich, auch wenn der Verlag meist gute Gründe für eine solche Entscheidung hatte.

Als das 2019 wieder einmal passierte und Jeannette durch Zufall noch eine Buchreihe entdeckte, die sie richtig gut fand, an die sich aber kein deutscher Verlag herantraute, gab das den letzten Ausschlag und Jeannette gründete den Second Chances Verlag, um sich der Buchreihe „Die Pik-Sieben-Morde“ anzunehmen.

Aus diesem Grund erscheinen bei uns Bücher, die uns als Leser*innen auf dem deutschen Buchmarkt gefehlt haben. Die Bücher, deren Übersetzungen es nicht mehr in die Verlagsprogramme geschafft haben. Die Bücher, die inzwischen nicht mehr erhältlich sind, obwohl sie zeitlos gut sind. Auch Leser*innen können anhand eines Formulars auf unserer Website Vorschläge für Bücher einreichen, die wir dann prüfen. 

Kurz gesagt: Wir wollen Büchern eine zweite Chance geben und vor allem die Geschichten veröffentlichen, die unserer Meinung nach wichtige Themen (z.B. aus dem Diversity-Bereich) behandeln oder die uns selbst gut gefallen, weil sie besonders lustig, ausgefallen oder spannend sind.

Das Formular wird sicher einige glücklich machen, man kennt es ja selbst zur Genüge. Da liest man eine Reihe und dann wird der letzte Band nicht mehr übersetzt. Aber was genau passiert eigentlich mit den Publikationswünschen, und wie sucht ihr aus, welche Bücher ihr ins Programm aufnehmt?

Second Chances Verlag: Wir schauen uns jeden Wunsch genau an und tragen ihn in eine Liste ein. Dann setzen wir uns in regelmäßigen Abständen im Verlag zusammen und beraten, welche Projekte wir angehen wollen. Dabei müssen wir die folgenden Faktoren berücksichtigen: 
  • Wurde die Reihe tatsächlich eingestellt oder hat der Originalverlag sich die Option offengelassen, die Bände noch zu bringen? 
  • Können wir uns die Lizenz finanziell leisten? 
  • Haben die Autoren bzw. Agenturen überhaupt Interesse, mit uns zusammenzuarbeiten? 
Bei großen Bestsellerautoren wird die Antwort häufig „Nein“ lauten, denn mit Vorschüssen wie bei den großen Publikumsverlagen können wir nicht mithalten. Auch wenn ein Buch ein sehr aufwendiges Layout hat, müssen wir uns gut überlegen, ob sich die Investition lohnt oder ob wir am Ende womöglich auf mehreren tausend Euro Kosten sitzenbleiben.

Übrigens bekommen wir bei Weitem nicht jede Lizenz, die wir anfragen. Ab und zu wird die Absage auch nicht begründet – das ist schade, aber nicht zu ändern. Und manchmal kommt es vor, dass wir uns um ein Projekt bemühen, aber dann erfahren, dass das Buch doch noch im Originalverlag erscheint. Darüber ärgern wir uns kein bisschen, sondern freuen uns für alle Leser*innen, denn wichtig ist ja nur, dass die Geschichten doch noch ihren Weg auf den deutschen Buchmarkt findet.

Lizenzverhandlungen dauernd häufig sehr lange, aber sobald alle Verträge unterschrieben sind, können wir euch von solch frohen Kunden auch berichten. *Ankündigungstrompeten polier*

Das hört sich an, als würde da noch einiges mehr dahinter stehen, bis ihr tatsächlich ein Buch ankündigen und in den Handel bringen könnt. Welche Schritte durchläuft ein Buch bei euch vor der Veröffentlichung? 

Second Chances Verlag: Das kann ich (Wanda) euch kurz und knapp beantworten, ich habe es mir nämlich erst neulich notiert, als ich Anfang Juli zum Verlag gekommen bin. *Luft hol* Es gibt verschiedene Etappen, die ein Buch durchläuft, nachdem man es von einer Agentur oder Ähnlichem eingekauft hat – wir gehen jetzt einmal davon aus, dass ein englischsprachiges Buch den Weg zu unseren Leser*innen finden soll. 

Zuerst steht in diesem Fall natürlich die Übersetzung an. Danach geht das Buch ins Lektorat, unsere Lektor*innen und Übersetzer*innen stehen natürlich miteinander in Kontakt, sowieso ist so eine Buchveröffentlichung viel Teamwork. 

Als Nächstes arbeitet Jeannette etwaige Änderungen ein, bevor das Buch ins Korrektorat wandert und anschließend wieder von ihr überprüft wird. Danach ist das Buch auch schon in der Schlussredaktion angekommen. Das ist so eine Art „Gesamtlektorat“, das meist von den Kolleginnen Anne oder Daniela gemacht wird. Wenn alles passt, kommt das Buch in den Satz und dann wird der Druckblock kontrolliert, also es wird geschaut, ob mit der Silbentrennung alles stimmt oder etwas seltsam aussieht. Als Letztes steht der sogenannte „Cold Read“ an – hier liest eine von uns das Buch wie eine ganz normale Leserin. Stimmt alles, kann das Buch endlich gedruckt werden!

All diese Schritte werden natürlich von viel Organisation und Kommunikationsarbeit begleitet: Dienstleister für die verschiedenen Bearbeitungsstufen finden, Marketing planen mit unseren Bloggern oder passendes Merchandise für unsere Buchboxen recherchieren. Was ebenfalls noch gemacht wird, sind Absprachen zum Cover, das entweder vom Original übernommen wird oder das extra für unsere Ausgabe angefertigt wird.

Oh wow, da steckt also viel Arbeit drin! Das erklärt die Wartezeiten auf Bücher ja schon etwas, aber bei so einer Übersetzung hat man das gesamte Buch ja schon, wieso dauert es dann oft gerade da so lang?

Second Chances Verlag: Kurz gesagt, gute Organisation und Qualität brauchen ihre Zeit. 

Wenn ihr es genauer aufgeschlüsselt haben wollt, holen wir etwas weiter aus:
Autor*innen kennen ihre Erzählstimme und können ihre Geschichten einfach beginnen. Bei einer Übersetzung aber ist der erste Schritt die Zusammenstellung des Teams. Dabei achten wir darauf, wer zur Erzählstimme des Autors oder der Autorin passt und welche Lektorin eine gute Ergänzung wäre, denn Übersetzungen sind immer Teamarbeit! Manchmal holen wir auch verschiedene Übersetzungsproben ein, bevor wir uns entscheiden, und in ganz seltenen Fällen kommt es auch vor, dass wir eine Übersetzerin austauschen müssen, weil der Text doch nicht so gut zu ihr passt, wie wir dachten. Das alles dauert natürlich eine gewisse Zeit. Darüber hinaus nehmen wir auch Rücksicht auf die Kapazitäten der einzelnen Projektbeteiligten – kann die Übersetzerin sofort anfangen, hat sie vorher noch ein anderes Projekt, eventuell für einen anderen Verlag oder Kunden? Gleiches gilt für Lektorin und Korrektorin. Nicht immer sind unsere Wunschkandidaten sofort verfügbar, dann warten wir lieber, denn wenn wir ein Buch veröffentlichen, dann soll es einer perfekten Übersetzung schon ziemlich nahekommen.

Außerdem achten wir darauf, dass wir die einzelnen Bände einer Reihe immer in möglichst gleichem Abstand veröffentlichen, damit ihr euch regelmäßig auf Lesenachschub freuen könnt. Manchmal müssen wir daher Übersetzungen vorab „horten“, zum Beispiel, wenn zwei Bücher gleichzeitig erscheinen sollen, wie es bei der Fake-Boyfriends-Reihe zum Teil der Fall ist. Wir haben die Abstände zwischen den Bänden so gelegt, dass wir immer auch das Begleitbuch parallel zum Hauptbuch fertig haben, denn so ergeben die Geschichten unserer Meinung nach am meisten Sinn. 

Warum stellen wir dann unsere Bücher mit einer so langen Vorbestellzeit ein? Zum einen, damit ihr schon seht, worauf ihr euch freuen könnt. Zum anderen, damit wir auch den Autoren gleich mehr Sichtbarkeit einräumen. Und damit wir nicht ständig so viele Geheimnisse vor euch haben müssen *zwinker*.

Mika: Echt toll. Jetzt haben wir schon einiges über den Weg der Bücher erfahren und zumindest ich habe da nochmal mehr Verständnis für längere Wartezeiten.  

Eine Frage würde mich jetzt aber noch ganz besonders interessieren und ich glaube da steh ich bestimmt nicht allein mit: Haben auch deutschsprachige Bücher eine Chance bei euch?

Second Chances Verlag: Wir im Verlag sind große Fans von verschiedensten deutschsprachigen Autor*innen und ihren Geschichten. Der Grund, warum wir bis jetzt noch keine deutschen Bücher publiziert haben, sind unsere Ressourcen. Unsere Kernkompetenz ist das Verlegen von Übersetzungen. Wir haben bisher noch nicht viel Erfahrung bei der Betreuung und Bearbeitung von deutschsprachigen Manuskripten, denn im Gegensatz zu Übersetzungen muss da die Geschichte häufig mit dem Autor oder der Autorin gemeinsam entwickelt werden.

Für die Zukunft möchten wir uns die Möglichkeit, auch deutschsprachige Autoren zu verlegen, aber auf jeden Fall offenhalten! Neuigkeiten zu uns sowie Hintergründe zu unserer Arbeit erfahrt ihr übrigens am schnellsten über unsere Social-Media-Kanäle auf Instagram (@second_chances_verlag) und Facebook (Second Chances Verlag) oder über unseren Newsletter auf der Website.


Okay, dann kommen wir auch schon zur letzten Frage: Wie viele Mitarbeiter sind im Verlag tätig und wie sieht so ein Arbeitstag bei euch aus?

Second Chances Verlag: Im Verlag sind wir zu viert – neben den Personen, die freiberuflich für uns übersetzen, lektorieren, Grafiken erstellen, bloggen usw. 

Jeannette ist als Chefin für die Lizenzverhandlungen und alle administrativen Aufgaben zuständig. Am liebsten scoutet sie nach neuen, spannenden Büchern, aber leider fallen manchmal auch langweilige Aufgaben wie die Buchhaltung bei ihr an.

Daniela ist unsere Verantwortliche für Social Media und Blogger*innen. Sie postet Beiträge auf Instagram und Facebook, beantwortet Fragen, verschickt Rezensionsexemplare und vieles mehr. Außerdem kennt sie sich mit dem Übersetzen und Lektorieren aus.

Anne unterstützt Jeannette bei der Planung der Buchboxen, schätzt Probe-Übersetzungen ein und pflegt den Kontakt zu all unseren Übersetzer*innen. Außerdem verstärkt sie den Second Chances Verlag auf Messen und lektoriert und übersetzt ebenfalls bei unseren Projekten mit.

Ich (Wanda) bin erst seit Juli dabei. Ich bin die Schnittstelle für unsere Kooperationen, pflege den Online-Shop, recherchiere nach Dienstleistern für verschiedenes Marketingmaterial und werde mich auch um den Newsletter kümmern. Wenn mich die Kolleginnen bei irgendeiner Aufgabe brauchen, springe ich jederzeit gerne ein, es ist einfach spannend und abwechslungsreich, was es jeden Tag zu tun gibt.

Für Absprachen im Team setzen wir uns einmal im Monat persönlich zusammen. Ansonsten arbeiten Jeannette und ich zusammen im Büro, und mit Anne und Daniela bleiben wir online in Kontakt, genauso wie mit unseren Übersetzer*innen, Lektor*innen und Co. Für eine gute Übersicht haben wir unser Büro mit jeder Menge Whiteboards vollgestellt – aber es ist trotzdem eine äußerst angenehme Arbeitsatmosphäre, zwischen Büchern, gut duftenden Kerzen und anderen Goodies zu arbeiten!

Mika: Das kann ich mir vorstellen. Vermutlich würde es mir nicht gerade leicht fallen, nicht ständig die Nase in die Bücher zu stecken, anstatt meine Arbeit zu tun *lacht*
Vielen Dank für das Interview und die spannenden Einblicke in den Verlag! 

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