[Rezension] Heul doch nicht, du lebst ja noch

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Hamburg, Juni 1945: Die Stadt liegt in Trümmern. Mittendrin leben Traute, Hermann und Jakob. Der nennt sich allerdings Friedrich, denn niemand soll erfahren, dass er Jude ist. Als Hermann ihm dennoch auf die Spur kommt, will er nichts mehr mit Jakob zu tun haben. Schuld, Wahrheit, Angst und Wut sind die zentralen Themen dieses Buchs, dessen jugendliche Hauptfiguren durch die Schrecken des Krieges und der Naziherrschaft miteinander verbunden sind. Und für die es doch immer wieder Lichtblicke gibt.

Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll, dieses Buch ist einfach wieder eines, das es mir wirklich schwer macht. Ich kann nicht so wirklich in Worte zusammenfassen, was ich insgesamt davon denke. Es lässt mich irgendwie ohne Worte zurück und vielleicht ist das auch einfach der Punkt. Dass nicht zu allem etwas gesagt werden muss oder kann, dass manche Bücher auch einfach nur wirken und man gar nicht so viel dazu sagen sollte oder muss? Aber ich kenne mich, genau in solchen Momenten sind es gerade viele Worte, um die fehlenden zu beschreiben.

Einerseits finde ich die Geschichte wirklich gut, und ich will das Buch lieben. Vor allem, weil die Kinder zu Wort kommen und die Geschichte komplett aus deren Sicht erzählt ist. Weil es Sichtweisen sind, die genauso wichtig sind, wie alle anderen. Andererseits habe ich mich mit dem Schreibstil wahnsinnig schwer getan, denn damit bin ich das gesamte Buch über nicht warm geworden. Und gerade daran hängt beim Lesen ja schon sehr viel. Doch entgegen dieser Tatsache bin ich total fasziniert davon, dass mich das Buch trotzdem immer wieder fesseln und mitziehen konnte, denn damit hätte ich nach meinem Start gar nicht unbedingt gerechnet. Die Story trägt hier gefühlt sehr viel mehr, als es der Schreibstil tut. So bin ich nun natürlich noch mehr hin und her gerissen, zwischen Szenen, die mich ziemlich aus der Geschichte rausgerissen haben, aber auch anderen, bei denen ich so tief darin versunken war, dass es mich eben doch erreichen konnte. Aber leider gab es auch immer mal wieder Momente, bei denen ich eher ein unbeteiligter Zuschauer war, selbst wenn ich mir meinen Teil gedacht habe. Es konnte mich einfach nicht vollkommen packen, mich nicht komplett in sich hineinziehen und mir auch nicht so richtig das Gefühl geben, dass es etwas mit mir macht, was bei solchen Themen eigentlich schon der Fall ist. Doch so oder so: Das Buch bietet immer wieder Potenzial, dass man wütend wird, den Kopf schüttelt, Mitleid hat und Trauer empfindet - oder eben doch einfach die Hoffnung kurz aufflackern spürt. Die Stimmungen der Kinder und der Zeit im allgemeinen sind durchaus greifbar. Nur für mich fehlt hier einfach was. Und ich denke, dass es zum Teil tatsächlich am Schreibstil lag.

Die Geschichte in diesem Buch wird aus mehreren Perspektiven erzählt. So gibt es hier die drei erzählenden Kinder, die aus völlig unterschiedlichen Verhältnissen kommen und noch zwei weitere, die im Buch mitlaufen, aber keinen eigenen Erzählstrang haben. Und auch wenn manche mehr Leid erfahren als andere, so leiden sie dennoch alle auf irgendeine Art, was beim Lesen durchaus ergreifen kann. Man erkennt aber auch, wie sehr das Denken und Handeln der Kinder zu Kriegszeiten beeinflusst wurde, immerhin wurde diesen alles mögliche so lange eingetrichtert, bis sie es geglaubt haben. Es blieb ja auch kaum was übrig, zumal so viele ohnehin zu jung waren um tatsächlich zu hinterfragen, was die Erwachsenen einen erzählen. Und nun müssen sie sehen, wie sie nach dem Krieg zurecht kommen, was sie glauben sollen und wie sie sich verhalten sollen. Das ist nicht einfach und stellt das gesamte bekannte Leben und Weltbild völlig auf den Kopf.

Ich würde sagen, dass sich dieses Buch durchaus lohnen kann, gerade wenn man Geschichten solcher Art mag. Es wird einiges vermittelt, ist aber auch nicht immer ganz einfach. Trotzdem eignet es sich meiner Meinung nach gut um auch mal einen Einstieg in die Zeit nach dem Krieg zu finden, wo die Bücher doch meist währenddessen spielen. Ich würde meinen, dass sich das Buch auch gut im Unterricht eignen würde, wenn man mit dem Thema des zweiten Weltkriegs gerade durch ist. Ich erinnere mich nämlich noch sehr genau, dass ich in der Schule zwar zu dem Krieg einiges gelernt habe, aber ohne jedes Wissen über die Zeit danach, selbst die unmittelbar darauffolgende Zeit, abgegangen bin - und das immerhin nach zehn Jahren Schule. Alles was ich auf dem Gebiet weiß, musste ich mir später selber anlesen, dabei halte ich es durchaus für Sinnvoll auch über die Dinge nach dem Krieg informiert zu sein, auch diese sind Geschichte und gehören dazu.

Autorin: Kristen Boie
Verlag: Oetinger
176 Seiten
ab 14 Jahren

Vielen Dank für das Rezensionsexemplar

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